CR291 Warum die fast schon beerdigte Idee des massenhaften Wegspeicherns von Telekommunikationsdaten der gesamten Bevölkerung wieder Aufschwung bekommen könnte ()
Wir reden heute über ein Thema, das schon im Jahr 2005 im Chaosradio 104 (ab Minute 39) das erste Mal besprochen wurde: die Vorratsdatenspeicherung. Denn auch nach fast zwanzig Jahren ist die unendliche Geschichte der Massenspeicherung von Telekommunikationsmetadaten noch nicht zuende, im Gegenteil: Am 30. April 2024 erging ein weiteres Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Darüber lohnt es sich zu sprechen.
Es ging in dem Urteil um eine auf IP-Adressen und Begleitdaten beschränkte Vorratsspeicherung und die Frage, ob eine französische Regelung gegen Filesharer mit dem EU-Recht vereinbar ist. Denn in Frankreich wurde vor Jahren im Streit um Urheberrechtsverletzungen der dortigen Behörde Hadopi erlaubt, verdächtige IP-Adressen mit Identitätsdaten von den Providern abzufragen. Es ging also nicht mehr um Vorratsdatenspeicherung bei schwerer Kriminalität, sondern um Menschen, die verdächtigt werden, Urheberverwertungsrechte zu verletzen.
Das Urteil ist auch deswegen interessant, weil nach der Entscheidung des Gerichts der schwärende Streit um die Vorratsdatenspeicherung innerhalb der deutschen Ampel-Koalition weiterblubbert. Der FDP-Bundesjustizminister lehnt die verdachtslose Massendatensammlung zwar klar ab. Sein versprochener neuer Gesetzentwurf zum alternativen Quick-Freeze-Verfahren liegt aber noch immer nicht vor. Die SPD-Bundesinnenministerin hat sich hingegen für eine Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen samt zugehörigen Netzverbindungsdaten ausgesprochen.
Wenn ihr wissen wollt, worum es in dem EuGH-Urteil genau geht, hört rein! Wir reden auch darüber, wie bessere technische Lösungen statt der anlasslosen Massenüberwachung aussehen könnten. Was und wie wird technisch gespeichert? Und was hat das mit IT-Sicherheit zu tun? Was ist geschehen, seit der Justizminister nach einem EuGH-Urteil 2022 freudig ankündigte, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung werde nun zügig und endgültig aus dem Gesetz gestrichen? Darüber unterhält sich Marcus Richter mit seinen Gästen Daniel Moßbrucker, nibbler und Constanze Kurz im Chaosradio 291.
Da hakt der Marcus aber mal richtig (und völlig zurecht) nach bei der Frage, warum den „Normalbürger“ die Eingriffe der Vorratsdatenspeicherung eigentlich interessieren dürfen. Constanzes Einwurf, es seien Grundrechte betroffen, die müssten nicht defensiv verteidigt werden, kann _ich_ zwar zustimmen. Aber der Normalbürger beschäftigt sich glaube ich tatsächlich nicht mit so abstrakten Dingen wie Grundrechten. Insbesondere, wenn der Eingriff keine akute Auswirkung hat. Beispiel: Tempolimit? Merkt man selbst. Grundrechtseingriff. Maskenpflicht? Merkt man selbst. Grundrechtseingriff. Da gehts dann gar nicht mehr kleiner.
Das ist auch immer dann festzustellen, wenn Menschen, die sich keines gravierenden Vergehens bewusst sind, Maßnahmen zu spüren bekommen, die doch eigentlich nur gegen Terroristen eingeführt wurden und bspw. deren Wohnung möglicherweise zu unrecht durchsucht wurde. Die sind immer ganz verwundert, wie man sie behandelt. Wie ein Schwerverbrecher!
Wenn wir uns gegen Datenvorratsspeicherung einsetzen wollen, dann sollten wir die Perspektive der Unwissenden auch respektieren und ihnen unsere Perspektive sachlich anbieten, anstatt wütend zu werden und sie für ihre „Dummheit“ bzw. Unwissenheit zu verurteilen. Es ist zwar einfacher, aber das eigentliche Ziel wird damit verfehlt.
Jup, das ist mir auch aufgefallen. Anstatt mit Markus eine Grundsatz-Diskussion zu führen, hätte man seine Frage in 5 Sekunden beantworten können.
Profilbildung über Kommunikationsdaten ist schlecht, weil hier hoch-persönliche Informationen über Menschen extrahiert werden können:
* regelmäßiger Kontakt zu Fachärzten für Krebs, Geschlechtskrankheiten, Psychologinnen
* Kontakt zu religiösen Gemeinschafen
* außereheliche Akitivitäten (:-P)
…
Es ist ein generelles Problem im Chaosradio, dass die Gäste nicht in der Lage sind, die Grundlagen ihres Feldes zu erklären.
Dass ausgerechnet Constanze mit der Jobbezeichnung „Sprecherin“ sich dieser Grundlagenarbeit verweigert, hat mich überrascht.
Doch, bei der politischen Diskussion um Grundrechte, die auch immer die Abwägung der Grundrechte gegeneinander und gegen legitime Interessen des Staates (z.B. Schutz) beinhaltet, muss man erklären, wieso Profilbildung ein Problem ist.
Ja, stimmt schon, ich hätte das tun sollen.