Twitterdemokratie

CR147 Microblogging und Zensur ringen um die Macht ()

Die Ereignisse im Iran erschüttern die Welt und zeigen deutlicher denn je, wie die digitale Vernetzung der Welt die Gesellschaften in ihrem Innersten wandeln. Nachdem die gesamte klassische Medienlandschaft von der iranischen Regierung ausgeschaltet wurde sind die traditionellen Medien dazu verdammt, sich mit Twitter und anderen Phänomenen zu beschäftigen und rätseln in aller Öffentlichkeit über die Konsequenzen. Die aufgeklärte bürgerliche Minderheit in den Städten Irans sorgt neben dem Protest nebenbei auch noch über die einzige Berichterstattung. Die Revolution überträgt sich selbst. YouTube, flickr und vor allem Twitter sind die Sprachrohre, wo vor kurzer Zeit nur Satellitenfernsehen war. Das Regime versucht mit Zensur und Informationskrieg dagegenzuhalten, da die freie Meinungsäußerung ihr größter Feind ist. Die ebenfalls zu Statisten verdammten Politiker in Deutschland lächeln derweil verlegen in die Kamera und beklagen die Zensur und Unterdrückung, während sie zur gleichen Zeit der Einführung der Internetzensur mit neuen Gesetzen den Weg ebenen. Die Welt ist in Aufruhr und das erste Mal zeichnet sich ab, wie ein offenes Internet die globale Gesellschaft der Zukunft vorbereitet. Das Twitter-Microblogging fügt dem Kommunikationsmix des Internets offensichtlich eine entscheidende neue Komponente hinzu. Chaosradio diskutiert mit Euch die Dynamik der neuen Medien und erläutert warum Twitter eine solche besondere Rolle in dem Ganzen spielt. Dazu stellen wir freie Systeme vor, mit denen man sein privates Twitterversum aufbauen kann.

24 Gedanken zu „Twitterdemokratie

  1. Endlich wieder Tim im CR. Hat ja lange gedauert.

    Wie auch immer: Man sollte beachten, dass Twitter, Facebook und co. nur das Mittel sind und nicht die *neue* Energie. Da musste schon viel passieren, dass solche Medien sich etablieren und heute 100x schneller als Blogs und Lichtjahre (in Relation) vor dem normalen One-Way-Medium ist, weil jeder mitmacht.

    Dabei sollte man auch auf das Zensursula-Thema kurz eingehen und schauen, wie die Gesellschaft im kulturellen Wandel ist/war, das Internet als alltäglich zu begreifen und nicht mehr drüber nachzudenken. Also welche Vor- und Nachteile es gibt. Und gerade bei dem Iran-Thema spielt ja das Netz und die social Communitys eine große Rolle.

    Ohne die social Communitys und deren vielfältige Schnittstellen könnte man garnicht so effektiv die Zensur umgehen. Solche Treffpunkte sind ideal, um mal eben kurz was loszuwerden. Und da die klassischen Medien natürlich Regierungsfreundlich sind und die Opposition als Spinner erklärt, gibts kein besseren Weg, als das ungewollte direkt ins Netz zu spühlen. Und genau dafür hat es sich ja Tim Berners-Lee erträumt und entwickelt: Ein freies, unzensiertes und kommunikatives Netz im Internet (kurz www). Und das ist erst durch Web 2.0 wirklichkeit geworden irgendwie. Man merkt es mehr und mehr. Schneller und schneller und immer intensiver ist der Nachgeschmack wenn die Tagesschau sagt „dieser Beitrag erreicht uns gerade Live aus dem Internet“.

  2. Eine wunderbare Idee, diesem Thema ein eigenes CR zu widmen. Den wenigsten Leuten scheint bewusst zu sein, dass Twitter nicht einfach ein weiteres Soziales Netzwerk ist, sondern Potential hat, ein neues Paradigma der politischen Meinungsbildung zu etablieren.

    Habe meine Gedanken zu diesem Thema erst heute in einem Blogeintrag zusammengefasst – Kollaboration und Politik: http://www.wienerlloyd.net/?p=774

    Markus

  3. Ich würde dem Twitter-Hype gerne einen Reality check verpassen. Mahn erinnere sich an die Berichterstattung zur Notwasserung auf dem Hudson – da wurde ja breit diskutiert, ob Twitter die Mainstream-Medien überholt habe. Das mag für 15, 20 Follower des einen Twitterers gegolten haben der direkt den Absturz fotografierte – aber nach ein paar Minuten waren in einer der Medienmetropolen der Welt Profi-Kameraleute vor Ort und machten den vermeintlichen Bürgerjournalismus schlicht überflüssig.

    Twitter ist ein neuer Kommunikationskanal unter vielen mit ein paar spezifischen Eigenarten. Aber die große Revolution per se ist Twitter nicht. Man kann über Twitter nicht mal erfahren ob der Tatort am Abend tatsächlich gut ist.

  4. Nur ein kurzer Einwurf.

    Vor weg ich bin großer Fan von Blogging, Microblogging … jedoch muss in diesem Bereich und generell im „Web2.0“ mehr Aufklärung betreiben werden. Es reicht nicht eine neue Technologie auf das Netz los zu lassen ohne die nicht Nerds zu informieren worum es geht und was es für Risiken und Konsequenzen hat. Bestes Beispiel ist die ja schon im CR besprochenen Risiken bei Social Networks. Das unsere Damen und Herrn im Bundestag diese Technologien erst recht nicht verstehen sollte klar sein, somit nehmen sie die Meinungen die über diese Medien reinkommen auch nicht ernst denn das sind ja alles „Hacker, Cracker und Kinderpornogutfinder“.
    Vielleicht sollte der CCC überlegen eine ähnliche Initiative wie die der EFF zum Thema Copyright http://www.teachingcopyright.org/ betreibt zu starten. „teachinternet“ oder so ähnlich.

    mfg derpeter

  5. Wichtige Nachrichten, oder solche die als solche eingestuft werden, verbreiten sich unkontrolliert durch sogenanntes „ReTweeten“ weiter und erreichen so die Follower der Follower. Deshalb wird mit Sicherheit eine breitere Masse davon erfahren haben als „nur“ die Follower des einen Users.

    Jedenfalls bin ich sehr gespannt auf die Sendung, das Thema verspricht interessant zu werden.

  6. Ich hör gerade den Podcast. Bei den Nachrichten von Fritz ist ein Fehler drin. Bei 1:30:11 erzählen sie, die Pirate Bay Gründer würden verklagt, weil SIE Links online gestellt hätten, mit denen man Musik, Filme und Software runterladen kann. Natürlich geht es hier um Torrents, abgesehen davon betreiben die Pirate Bay Typen nur die Plattform und haben eben NICHT die Torrents selbst hochgeladen, ganz zu schweigen von der Musik selbst. Ziemlicher Unterschied, auch wenn Nachrichtenredaktionen solche Fehler sehr sehr gerne machen.
    Ich weiß das hat mit euch alles nix zu tun, ich fands halt nur funny das ausgerechnet während Chaosradio (von anderen) so ein Quark in den Sendernachrichten erzählt wird. 🙂

  7. Pingback: Chaosradio147 Twitterdemokratie « Don’t panic – Die Computerkneipe

  8. Als ich mir vor einer Weile das Web 2.0 auf brauchbare Ansätze angeschaut habe, und über Twitter gestumbled upon bin, habe ich den Sinn nicht wirklich verstanden, auch wenn es zunächst sehr delicious
    ausschaute…

    Nach dem Podcast habe ich mir einen account angelegt und bin Tim gefolgt, aber ohne den Stresspegel zu erhöhen, warum sollte es mich interessieren was Tim alle 2 Stunden denkt? Ich werde doch wohl kein Tweety werden.

    Das ganze erinnert mich an die Faszination die der Swarm Bildschirmschoner und andere „flocking“ Ableger aus der Atificial Life (http://sites.google.com/site/myzooland/) bieten: Aus irgendeinem evoltionären Grund mag es unser Gehirn wenn sich alle nach einem richten und ihm hinterherlaufen. Oder viele unwissende Agenten Wissen erzeugen, oder etwas das wie Wissen aussieht–zB Ameisenhügel bzw deren Architektur…

    Aber bis auf den Nutzen für Sektenführer oder Politiker, oder sonstige Alphatiere sehe ich da nicht wirklich den geistigen Nährwert/Mehrwert.

    Natürlich wird es Twitter weiterhin geben, den Tod eines Mediums vorherzusagen, da hat Tim recht geht nicht; genausowenig wie man den tatsächlichen Nutzen/Benutzung eines neuen Mediums vorhersagen kann. Twitter wird je bereits anders als „gedacht“ eingesetzt.

    Der Vergleich mit Usenet vor 20 Jahren, als man dort noch intelligentes Leben finden konnte, und wir im wesentlichen unter uns waren, finde ich treffend. Twitter wird also an der allmählichen Verdummung sterben oder auch nicht. Selbst im Usenet gibt es ja außer den binären Inhalten noch vereinzelt Gruppen (de.comp.text.tex) in denen es noch Sinnvolles gibt.

    Was die Twitterdemokratie angeht: Es wird keine geben und auch keine sonstige „DEIN-LIEBLINGSSYSTEM-HIER“demokratie.

    Wer sich ein paar Gedanken zum Thema, wieviel Informationsangebote braucht es eigentlich? Und was läuft falsch? machen möchte, dem sei „The Cult of Information“ von Theodore Roszak ans Herz gelegt.
    Obwohl von 1994 ist es durchaus auch heute noch relevant, zwar hat sich das Internet in den letzen 15 Jahren weiterentwickelt aber vor dem Gerät sitzen immer noch dieselben Neandertaler, dessen Gehirn nicht mehr als 2 Mbit/sec in seinen Verstand gelangen läßt, egal wieviel Tabs auf dem Browser gerade geöffnet sind.

    Have fun, -joke

  9. Ich dachte ja erst, es wäre die Lache von damals, na ihr wisst schon:
    n Iiimpaaaaaaact 😉

    Aber gut, so wurde ich auf nen weiteren Podcast aufmerksam, gleich auch ma noch anhören dieses nsfw dingens 😉

    Zur CR Sendung muss man ja eh nix sagen, top wie immer. Auch wenn mich das Thema nich so wirklich interessiert hat 😉

  10. Ich habe den Podcast gestern gehört und mich geärgert, dass ich ihn nicht live gehört habe. Sonst hätte ich angerufen.

    Mit war die Betrachtung viel zu positiv. Teilweise hörte es sich für mich so an, als könnte Microblogging den Journalismus ersetzen. Ich glaube, man muss nicht lange im Internet sein um zu sehen, was Leute für einen Schwachsinn tun, wenn sie anonym bleiben können. Wer hat die Zeit, die sinnvollen Infos aus der Menge herauszufiltern? Nicht die Masse der vollzeitarbeitenden Menschen.

    Klar ist es für die freie Meinungsäußerung gut, wenn manche Äusserungen nicht auf die Person bezogen werden können. Aber wer kann denn noch sinnvoll die Informationen bewerten? Was nutzt mir eine Info, wenn ich zig Quellen brauche um sie zu verifizieren?

    Für mich ist Microblogging, wie auch in der Sendung gesagt, eine Evolutionsstufe. Auch der Blog Hype hat sich stark relativiert.
    Das hat aus meiner Sicht auch mit dem Thema Netzzugang zu tun. Vergleich: Jedes Billigradio beliefert mich kontinuierlich mit verhältnismäßig qualitativ hochwertigen Infos, während der Ipod mit Flatrate eine Menge Geld kostet und die Wertigkeit der Infos (hier über Twitter) sehr unterschiedlich ist.

    Die Bezeichnung follower und follow könnte im deutschen zu Missverständnissen sorgen. „F… befiehl, wir folgen Dir“ ist sicher nicht der richtige Gedanke. Hören und zuhören passt wohl besser, obwohl auch hier der Gedanke des Nachlaufens und Gedanken kritiklos übernehmen aufkommen kann.

    Weiter beginnt ja schon die Werbemaschinerie dies System zu nutzen, nur eine Frage der Zeit wann die Anzahl der Nutzer so hoch ist, dass spamartige Strukturen auch hier greifen. Noch mehr Aufwand, an sinnvolle Infos zu kommen. Und das der Dienst selbst sich irgendwie in naher Zukunft finanziereren soll, steht außer Frage. Wie wohl, ohne Werbung? SMS war zu Anfang auch teilweise kostenlos.

    Ich bin gespannt, wo es hingeht, aber ich wage die Prognose, dass Micoblogging noch einige Entwicklungsprünge durchlaufen muss.

  11. Hallo Chaoten,

    ich hätte eine Bitte die mir sehr am Herzen liegt. Es geht um Unterstützung für die Befreiungsbewegung im Iran über die auch
    fritz berichtet hat: http://www.fritz.de/aktuell/2009/juni/iran.html

    Wenn man weiß wie brutal auch gegen Frauen vorgegangen wird (das Video von Neda’s Tod ging unter die Haut)
    möchte man gerne helfen. Ich tue das, indem ich z.B. die lokalen Printmedien auffordere, die Berichterstattung nicht einschlafen
    zu lassen. Das www ist für die Leute dort extrem wichtig geworden.Es wird vom Staat massiv torpediert.
    Leider fehlt mir das knowhow um hier konkret zu helfen, daher wende ich mich an euch!

    z.B – proxys für iranische Bürger einrichten
    – staatliche Sites hacken ( z.B http://www.gerdab.ir/home.php )in denen versucht wird, Demonstranten zu identifizieren
    um sie dann verhaften zu können

    näheres hier:

    http://www.tagesschau.de/ausland/iran638.html
    http://freeirannow.wordpress.com/2009/06/29/cyberwar-fur-dummies-update-kleiner-affe-grose-wirkung/
    http://tehranbureau.com/geeks-globe-rally-iranians-online/
    http://blog.austinheap.com/2009/06/15/how-to-setup-a-proxy-for-iran-citizens/
    http://campaigns.aicongress.org/nokia

    sowie hier:

    http://tehranbureau.com/
    http://shooresh1917.blogspot.com/

    Zurück zu meinem Anliegen: Bitte verbreitet es an Leute die helfen könnten!

    Danke
    Walter

  12. Hm, es ist ja sicher ganz nett, wenn hier immer mal wieder neue Blüten aus dem Internet erwachsen. Aber sicher sind nicht alle für jeden so genießbar. Diejenigen, die dienstlich schon mit über 200 emails pro Tag auskommen müssen, haben einfach keine Lust mehr, sich noch mit Blogs, gescheige denn real-time blogs zu beschäftigen.

    Wie machen es eigentlich eingefleischte twitter-Nutzer? Benutzen sie dann weniger email? Oder nehmen sie sich noch mehr Zeit von anderen Freizeitbeschäftigungen dafür weg?

    Aufschlußreich finde ich diesbezüglich z. B. Donald E. Knuth, der ja bereits 1990(!) seine email-adresse aufgegeben hat, weil es ihm zu viel wurde. Da war ja von Spam noch lange nichts zu sehen.
    http://www-cs-staff.stanford.edu/~uno/email.html

  13. Hallo,

    Möchte nur etwas zu einem nebensächlichen Kommentar, der in der Sendung gefallen ist sagen.
    Und zwar hieß es, wenn in der Firma Twitter gesperrt ist, könne man über https auf Twitter zugreiffen.
    Das funktioniert bei uns nicht. Bei uns ist das so:
    Ich öffne eine https Seite. Das geht über den Proxy. DIeser stellt dann die verschlüsselte Verbindung auf die https Seite her, „sieht“ praktisch dann diese Seite und entscheidet ob und was durchgelassen wird. Wenn dann was durchgelassen wird, schickt der Proxy das dann an den Browser weiter.
    Der Browser bekommt in dem Fall eine https Seite zu sehen, die mit dem Proxy eigenen Zertifikat signiert wurde, welches von der Proxy eigenen CA für die jeweilige Seite ausgestellt wurde. Wenn dann das Rootzertifikat dieser CA auf allen Computern installiert ist und als vertrauenswürdig eingestuft wurde merkt mann erst, wenn man nachsieht von wem das Zertifikat eigentlich ist, dass der Proxy praktisch eine „man in the middle attacke“ macht.
    Das ergebniss: Twitter ist und bleibt gesperrt.

    MfG

    Christian

  14. Ich hol mir meine Infos nur noch aus dem Usenet!

    Da kommt nicht jeder mal schnell rein und kann seinen quatsch verbreiten!

    Vernünftige Diskussionen und vor Allem Profis zu den Themen gibts dort genug!

    Wer kein Geld dafür bezahlen will, kann auch einfach auf http://usenet-provider.blogspot.com/ gucken und ganz unten steht was von „komplett kostenlos und anonym“ bla.

    Da kann man sich echt mal usenet holen und muss nur seine Email angeben nich den ganzen andern Quatsch!

    Finde ich persönlich viel seriöser wenn mans nur mal testen will..

    Wenn jemand dabei ist, meldet euch für anspruchsvolle Diskussionen 🙂

  15. oh man, eure argumente (ameisen & backpulver) sind fürn garten. und das ist auch das was ich nicht verstehe. das sind alles sachen die man vorher auch ohne twitter herausfinden konnte. man braucht twitter nicht dafür. es ist nutzlos.

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